Die Sammlung – Bertelsmann Vinyl Collection (2024)

Mit der „Vinyl Collection“ präsentiert das Bertelsmann Unternehmensarchiv erstmals Teile seiner großen Schallplattensammlung und macht sie einer breiten Öffentlichkeit zugänglich. Diese Sammlung dokumentiert in einzigartiger Weise die Musikgeschichte der Bertelsmann Clubs, die in dem Zeitraum 1956 bis 1992 ein bedeutendes und populäres Schallplattenprogramm für ihre Mitglieder vertrieben.

Das Unternehmensarchiv hat im Rahmen eines gemeinschaftlichen Erschließungsprojektes mit dem Bertelsmann Club im Sommer 2005 einen Bestand von ca.40.000 Vinylschallplatten übernommen. Es handelt sich hierbei um eine Ablage, die von der Programmabteilung des Bertelsmann Schallplattenrings in den 1950er Jahren angelegt und von den nachfolgenden zuständigen Abteilungen über fünf Jahrzehnte fortgeführt wurde. In einem ersten Schritt wurden alle Objekte der Sammlung abfotografiert, die Metadaten erschlossen und in die Archiv-Datenbank übertragen. Im Zuge einer weiteren Übernahme erhielt das Unternehmensarchiv zahlreiche gebundene Matrizenpässe zu den in den Clubs und Club-Centern vertriebenen Schallplatten, wodurch diese sich nun eindeutig aus dem Bestand heraus separieren ließen. Über die Matrizenpässe, sowie den Abgleich mit den im Unternehmensarchiv aufbewahrten Club-Katalogen konnte nun erstmalig auch das Veröffentlichungsdatum vieler Club-Auflagen rekonstruiert und in der Datenbank ergänzt werden. Neben der Gruppe von Schallplatten, die zum eigentlichen Club-Sortiment gehörten, ließen sich nun auch weitere geschlossene Ablagen innerhalb der Sammlung ermitteln: Original- und Promoauflagen vieler Schallplattenfirmen, die ausschließlich in der Planung für die jeweiligen Quartalsprogramme der Clubs eine Rolle spielten und für die „Vinyl Collection“ nicht berücksichtigt worden sind. Daneben enthielt die Sammlung weitere Gruppen von Schallplatten, die zwar kein Bestandteil des eigentlichen Club-Sortiments waren, anhand derer sich aber die Frühphase des Bertelsmann Schallplattenrings begleitend dokumentieren ließ. Diese sogenannten „Altablagen“ sind mit dem entsprechenden Vermerk in die „Vinyl Collection“ eingeflossen.

Bertelsmann legt eine neue Platte auf

Als zu Beginn der 1950er Jahre die bis dahin marktbeherrschende Schellackplatte von der Vinyl-Schallpatte technisch abgelöst wurde, sorgte der neue Tonträger rasch für eine ungemeine Belebung des deutschen Musikgeschäfts. Unter dem Eindruck der Erfolgsgeschichte des 1950 gegründeten Bertelsmann Leserings, der innerhalb von 4 Jahren auf über eine Million Mitglieder angewachsen war, reiften auch im Hause Bertelsmann die ersten Pläne, sein Buchprogramm durch ein ausgewähltes Musikprogramm harmonisch zu ergänzen. Zudem war die robuste Kunststoffplatte gegenüber der leicht zerbrechlichen Schellackplatte ideal geeignet für den Postversand, auf dem das Clubgeschäft in der Hauptsache basierte. Bertelsmann startete 1955 eine erste Testphase: Lesering-Mitglieder konnten über das zum Buchclub gehörende Versandhaus Heim und Buch eine Auswahl an Schallplatten der Marken Orbis und Diamant günstig erwerben. Diese Schallplatten wurden in der Sammlung mit dem Vermerk „Altbestand Versandhaus Heim und Buch“ gekennzeichnet. Der Testlauf zeigte, dass auch im Lesering das Interesse an Schallplatten groß war. Am 1. Juli 1956 nahm der Bertelsmann Schallplattenring offiziell seine Tätigkeit auf. Er übernahm das Sortiment von Heim und Buch und präsentierte zum Start rund 150 Schallplatten aus Klassik und Unterhaltung, die über einen eigenen Katalog, der Schallplattenring-Illustrierten, beworben wurden. Die vielen Erfahrungen aus der Leseringarbeit ließen sich jedoch nicht wie erhofft auf den Schallplattenring übertragen. Die Großfirmen der Schallplattenindustrie waren zunächst nicht bereit Lizenzen aus ihrem Repertoire an den Club abzutreten. Über die eigene Bertelsmann-Clubproduktion ließen sich neben Lale Andersen, Zarah Leander und dem Pianisten Alexander Jenner kaum weitere umsatzbringende Künstler exklusiv verpflichten. Daraufhin gründete Bertelsmann 1958 mit der Ariola GmbH eine eigene Schallplattenfirma, welche die bisherigen Künstlerverträge des Schallplattenrings übernahm und diesen in enger Abstimmung zukünftig mit Eigen- und Lizenzproduktionen versorgen sollte. Die Laufnummern der bisherigen Schallplattenring-Veröffentlichungen wurden im III. Quartal 1958 einheitlich auf die Ariola-Systematik umgestellt. Ariola zur Seite stand die im gleichen Jahr gegründete Schallplattenfabrik Sonopress, welche fortan die technische Produktion der schwarzen Scheibe übernahm.

Durchbruch in den 1960er Jahren

Mit Ariola und Sonopress im Rücken verbesserte sich die Verhandlungsposition des Clubs gegenüber den großen Schallplattenfirmen. Ariola landete bereits ein Jahr nach ihrer Gründung mit der Sängerin Dalida den ersten Nr. 1-Hit („Am Tag als der Regen kam“). Sonopress gehörte technisch zu den modernsten Schallplattenfabriken in Europa. Die Musikindustrie war beeindruckt. 1959 kam schließlich ein Lizenzvertrag mit der „Deutschen Grammophon“ – seinerzeit die größte deutsche Schallplattenfirma - nach langen Verhandlungen zustande. Auch die übrigen großen Schallplattenfirmen sahen in dem, auf den „breiten“ Markt gerichteten Club nun eher einen Partner als einen Konkurrenten. Mit Gründung des Europarings 1961 etablierte Bertelsmann einen weiteren Buch- und Musikclub, der seine Geschäftstätigkeit nun auch auf den gesamten deutschsprachigen Raum ausweitete. Das Clubgeschäft expandierte. Bertelsmann übernahm den Ring der Musikfreunde, sowie die in Stuttgart ansässigen Firmen Europäische Bildungsgemeinschaft und Europäischer Buch- und Phonoklub. Letzterer war der dienstälteste Schallplattenclub in Deutschland und verfügte über ein bedeutendes Repertoire an Klassik-Produktionen, die über das eigene Label Opera vertrieben wurde. Der Ring der Musikfreunde gehörte zur Kölner Schallplattenfirma P. P. Kelen, mit der man bereits in der Gründungsphase des Schallplattenrings zusammengearbeitet hatte. Auch dieser Club besaß zahlreiche Rechte an klassischen Produktionen, die über seine Labels Orbis und Parnass veröffentlicht wurden. Die Opera-Produktionen übernahm das Ende 1962 von Bertelsmann gegründete Klassik-Label Eurodisc, das Repertoire von Orbis und Parnass verblieb weitestgehend beim Club. Die überlieferten Altbestände beider Clubs sind aus der Sammlung in die „Vinyl Collection“ überführt und mit entsprechenden Hinweisen gekennzeichnet worden. Das Veröffentlichungsjahr zahlreicher Schallplatten konnte anhand von überlieferten Club-Katalogen an vielen Stellen nachträglich rekonstruiert werden.

1964 erfolgte mit Gründung der Ariola-Eurodisc GmbH eine strukturellen Neuausrichtung des Musikgeschäfts von Bertelsmann, die auch Auswirkungen auf die Clubs hatte. Im Zuge dieser Neuausrichtung verlagerte die Plattenfirma ihre Musikproduktion von Gütersloh nach München, wodurch die recht enge Verzahnung zwischen Club und Ariola nun ein Stück weit entzerrt wurde. Diese Entscheidung ergab sich aus der Tatsache, dass der Schallplattenring mittlerweile sein Repertoireproblem durch Lizenzverträge mit den führenden Schallplattenfirmen gelöst hatte. Auf der anderen Seite fand Ariola am neuen Standort nun endlich die Bedingungen vor, die ihr ein weiteres Wachstum im Musikmarkt ermöglichen sollten. Ein in der Sammlung befindlicher Ariola-Altbestand aus ihrer „Gütersloher“ Zeit wurde mit dem entsprechenden Hinweis als letzte der oben erwähnten Gruppen in die „Vinyl Collection“ eingearbeitet.

Höhenflug und Ende der Schallplatte im Club

Von München aus trat Ariola-Eurodisc ihren Weg an die Spitze der deutschen Schallplattenfirmen an und entwickelte sich innerhalb weniger Jahre zum Global Player. Von den großen Erfolgen im nationalen und internationalen Repertoirebereich profitierten selbstverständlich auch die Musikclubs. Künstler wie Udo Jürgens, Peter Alexander, Canned Heat oder Status Quo, die von der Plattenfirma produziert oder vertrieben wurden, bescherten dem Schallplattenring einen weiteren Mitgliederzuwachs, deren Zahl die Millionengrenze 1968 erstmals überschritt. Für Exklusivität im Programm sorgte zudem die Einführung sogenannter Club-Labels, deren Veröffentlichungen nur Mitgliedern zugänglich waren. In den 1970er Jahren boten nun auch Lesering und Europaring ihren mehr als 3 Millionen Mitgliedern das komplette Sortiment des Schallplattenrings an. Daraus resultierte ein neues Selbstverständnis des Clubs. Er war mittlerweile zu einem bedeutenden Akteur im deutschen Musikgeschäft herangewachsen. Neben einem hochwertigen Klassik- und Operettenprogramm, das ca. 30% Anteil am Gesamtsortiment hatte, entwickelte sich in diesen Jahren insbesondere das Pop/Rock-Genre zum eigentlichen Wachstumsmotor. Club-Ausgaben, wie z.B. der Boney M.-Klassiker „Nightfly to Venus“ verkauften sich in der Spitze über 250 000 Mal, das Album „Elvis – 20 Fantastic Hits“ erhielt für mehr als eine halbe Million im Club verkaufter Exemplare sogar Platin. Es war das goldene Jahrzehnt der Club-Schallplatten. Die Markteinführung der Compact Disc läutete ihr langsames Ende ein. Die Clubs, die mittlerweile gemeinsam unter der Marke Bertelsmann Club auftraten, nahmen den digitalen Tonträger 1985 erstmals in ihr Programm auf. Er sorgte auch hier - parallel zu den Entwicklungen im Handel - für einen fortwährenden Rückgang der Nachfrage nach Vinyl, während sich der CD-Absatz bis 1991 verzehnfachte. Mit dem digitalen Medium konnte die analoge Schallplatte nicht mehr Schritt halten. Als Konsequenz dieser Entwicklung stellte der Bertelsmann Club sein Schallplattenangebot schließlich nach 36 Jahren im II. Quartal 1992 ein.

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Author: Eusebia Nader

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